Deutsche Komödien haben es schwer: Sie gelten oft als unlustig. Peter Meister versucht es nun mit einem Krimi und mit Sandra Hüller zwischen Originalität und Imitationen.
Eine Rezension von Susanne Romanowski
Nur ein schwarzes Quadrat auf hellem Grund – Kasimir Malewitschs abstraktes Gemälde irritierte schon bei seiner ersten Ausstellung 1915 und tut es bis heute. Im zaristischen Moskau war es ein radikaler Bruch mit künstlerischen Konventionen, noch dazu in die Ecke des Raumes gehängt, die den orthodoxen Ikonen vorbehalten war. Mittlerweile gilt das Gemälde als prägend für die Moderne, Auktionshäuser bewerten Malewitschs Kunst mit zweistelligen Millionenbeträgen. So viel Geld für ein paar schwarze Pinselstriche auf weißer Leinwand – eigentlich ein Witz.
Genau daraus hat Peter Meister seinen ersten Spielfilm gemacht und auf den Internationalen Hofer Filmtagen gleich mehrere Preise gewonnen. Im Zentrum der Krimikomödie Das schwarze Quadrat steht ein Kunsträuberduo, das Malewitschs Jahrhundertwerk auf einem Kreuzfahrtschiff verhökern soll: der verhinderte Künstler und Möchtegernmeisterdieb Vincent (Bernhard Schütz) sowie sein Sidekick Nils (Jacob Matschenz), der die kriminelle Energie eines Welpen besitzt. Es bleibt völlig unklar, wie die beiden es mit ihrer Beute aus dem Museum geschafft haben.
Um unerkannt an Bord zu gelangen, klauen Vincent und Nils vor dem Ablegen zwei regulären Passagieren die Dokumente und Koffer. Es sind jedoch ausgerechnet die Sachen zweier Showtalente, die allabendlich die Kreuzfahrtgäste bespaßen sollten. Nun müssen also statt ihrer die beiden Gauner im Funkelfummel als Bowie- und Elvis-Imitatoren über die Bühne quieken und schmachten. Applaus für Nils, Buhrufe für Vincent, und natürlich verschwindet das Bild. Außerdem seine Kopie und dann die Kopie der Kopie. Ein schwarzes Quadrat malen kann schließlich jeder, notfalls mit zerstoßenen Kaffeebohnen aus der Minibar.
Bald hängt der echte (oder falsche?) Malewitsch nicht mehr im exponierten Ikonenwinkel, sondern liegt unter dem Bett oder steckt zwischen Wand und Heizung, und das halbe Schiff jagt ihm hinterher: die Diebe selbst, die Cruise-Managerin (Victoria Trauttmansdorff), die Pianistin (Pheline Roggan) und eine Kunstvermittlerin (Sandra Hüller). Der Film spielt mit der Spannung zwischen Originalität (Malewitschs Quadrat) und Imitation (alle seine Kopien und das Elvis-Double). Doch wie lieb diese letzte Imitation lächelt! Wie schön der singt! Mit seiner klassischen Tolle und dem Schlaghosenanzug ist Nils auf dem Schiff das schwarz-weiße Objekt der Wahl. Das ist keine Kunst, macht aber trotzdem Spaß.
Als wäre sein Film das Frühstücksbüffet eines besonders großen Kreuzfahrtschiffs, bietet Filmemacher Peter Meister seinen Gästen breit gefächerte Unterhaltung: durchchoreografierte Kampfszenen, Slapstick, Schadenfreude, Spitzen gegen einen durchdrehenden Kunstmarkt und nicht zuletzt eher stumpfen Fäkalhumor, wenn Vincent beim Quadrat-Fälschen in den Farbeimer pinkelt. Malewitschs Weiß war eben nicht richtig weiß, eher gelblich. Nicht jeder Witz zündet, aber für alle ist einer dabei. Vielleicht soll diese Bandbreite letztlich eine Absicherung vor dem Urteil sein, das wohl jede deutsche Komödie fürchtet: nicht lustig.
Mark Twain soll gesagt haben, ein deutscher Witz sei eine ernste Angelegenheit. Ähnlich wie beim Gemälde im Film – zu allem Überfluss hat der echte Malewitsch selbst noch mehrere schwarze Quadrate gemalt – ist die Urheberschaft des Zitats indes ungeklärt. Egal – Deutsche gelten als nicht lustig. Versuchen sie es, kommen oft genuschelt-pubertäre Witzchen heraus. Das schwarze Quadrat macht es besser. Weder wird es wirklich peinlich noch ärgerlich. Schade ist lediglich, dass irgendwann aus der schnellen Krimikomödie auch noch eine romantische werden soll und man sich fragt: Wer wirft sich hier wem an den Hals? Die korrekte Managerin dem jungen Entertainer oder doch der Film seinem Publikum?
Wie man das vorgebliche Twain-Zitat aber auch verstehen kann: Ja, ein deutscher Witz ist eine ernste Angelegenheit. Zu sehen ist das etwa in Toni Erdmann, Maren AdesOscar-nominierter Tragikomödie von 2016. Darin zeigte Sandra Hüller schon einmal ihr großes ernsthaftes Talent für Komik. Als Unternehmensberaterin Ines plagte sie sich mit ihrem Vater ab, der sie auf Geschäftsreise in Bukarest begleitet und dort durchgehend Schabernack treibt. Der Film ist lustig, weil Ines es überhaupt nicht ist.
Sandra Hüller spielt diese Ines verstockt, korrekt und im Dauerstress, also klischeehaft deutsch. Wirklich geglückt ist der Film, weil sein Thema ernst ist. In der Vater-Tochter-Beziehung liegt einiges im Argen. Dabei geschieht nichts offensichtlich Dramatisches, das den Film verkitschen würde, sondern es ist die ganz alltägliche Entfremdung, die schmerzt. Humor fungiert dann als Ventil, nicht als Wunderwaffe gegen Konflikte.
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Auch in Das schwarze Quadrat finden sich Situationen, in denen genau das gelingt. Auf dem Schiff verstehen einzig Vincent und Martha etwas von Kunst – und doch sind sie es, die das Gemälde klauen, kopieren und an profitgierige Oligarchen verhökern. Als wäre das nicht schlimm genug, muss Vincent sich als Bowie schminken und Martha über Leichen gehen. Zumindest für die Hauptfiguren geht es in ihren Konflikten nicht um Leben und Tod. Sie hätten sich ihr Leben einfach ein bisschen anders gewünscht. Dieses Wissen reicht, um Vincents lächerlicher Performance und Marthas Dilemma Tiefe zu verleihen, ohne ihnen die Leichtigkeit zu nehmen.
Es ist mit diesem Film ein bisschen wie mit Malewitschs Quadrat: Schaut man genau hin, sieht man, dass die Oberfläche feine Risse hat. Ein solches Netz kann sich bilden, wenn ein Bild nicht auf eine leere Leinwand gemalt wird, sondern ein älteres, noch nicht ganz trockenes Gemälde übermalt. Das erste schwarze Quadrat entstand angeblich dadurch, dass Malewitsch eines seiner gegenständlichen Gemälde überpinselte. Was dahinter liegt, weiß niemand. Aber allein die Ahnung, dass da noch mehr ist, macht das Gemälde noch interessanter.
"Das schwarze Quadrat" läuft am 25. November in deutschen Kinos an.